Forschungscampus OHLF
Start-up hilft Arbeitsunfälle verhindern
Über 200.000 Arbeitsunfälle geschehen jedes Jahr europaweit im innerbetrieblichen Transport. Künstliche Intelligenz kann zusammen mit Computer Vision Technologien einen großen Teil dieser Unfälle verhindern. Hierzu entwickelt das Start-up Sentics GmbH Lösungen. Eine Erfolgsgeschichte, die ohne den Wolfsburger Forschungscampus OHLF vielleicht nicht hätte geschrieben werden können.
Am Forschungscampus Open Hybrid LabFactory (OHLF) entstehen Ansätze von Innovationen für die Automobilindustrie. Eine hohe Anzahl der Forschungsergebnisse aus der OHLF münden direkt in die Wirtschaft. Durch das einmalige Zusammenspiel von Wissenschaft und Wirtschaft im gleichen Hause können schon bei der Forschungsfragestellung wirtschaftliche Perspektiven von industriellen Projektpartnern mitberücksichtigt werden. Darüber hinaus sind die Abstimmungs- und Vernetzungswege so kurz, wie man sie sonst nirgends wiederfindet. Einige Projekte der letzten zehn Jahre mündeten sogar in Unternehmensgründungen – So wurde zum Beispiel aus dem Projekt „PanTrack“ schließlich die Sentics GmbH.
In dem am Forschungscampus Open Hybrid LabFactory (OHLF) durchgeführten Verbundprojekt „PanTrack“, ging es um den Aufbau und die Untersuchung eines technischen Systems zur Identifikation und Nachverfolgung von versteckten Infektionsketten innerhalb von Produktionsumgebungen. Der Projektabschluss 2020 setzt gleichzeitig einen wichtigen Grundstein zur späteren Gründung eines Start-ups: der Sentics GmbH. Der Grundgedanke im Forschungsprojekt „PanTrack“ war der Aufbau und die Untersuchung eines technischen Systems zur Identifikation und Nachverfolgung versteckter Infektionsketten, um die Resilienz der europäischen Produktionsbetriebe im Kontext des weltweiten Pandemiegeschehens zu stärken. Auf Basis digitaler Bildverarbeitung und künstlicher Intelligenz sollten empfohlene Mindestabstände zwischen Personen erkannt und analysiert werden. Die so geschaffene Datenbasis bot die Datengrundlage, versteckte Infektionsketten zu identifizieren und ihnen durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken. „PanTrack“ wurde durch zwei Projektmitglieder am Forschungscampus OHLF in Wolfsburg durchgeführt: dem Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik der Technischen Universität Braunschweig sowie dem Microcontroller-Hersteller „ARDUINO SA“. Das Projekt wurde durch das europäische Netzwerk „EIT Manufacturing“ gefördert und so finanziert. Die OHLF bot durch das Technikum, welches 16 Fertigungsanlagen integriert, die nötige Infrastruktur und Industrienähe und perfekte Forschungsvoraussetzungen für das Projekt.
Bereits während der Projektphase wuchs bei den Projektleitern Dr. Michael Demes und Sebastian Bienia die Idee, die technologischen Ansätze aus dem Projekt „PanTrack“ für diverse andere industrielle Anwendungsbereiche zu erweitern. Eine Marktrecherche und zahlreiche Gespräche mit Industrieunternehmen zeigten, wie viel Potenzial in der Idee steckte.
OHLF forscht heute an Materialien, Produktionsmethoden sowie Recycling- und Circular-Economy-Technologien für die Produktion von Fahrzeugen und Komponenten. Dafür arbeiten in einem großen Netzwerk ganz unterschiedliche, sich ergänzende und unterstützende Partner unter einem Dach zusammen. Genau das hat in der Marktrecherche auch für das Projekt „PanTrack“ die Wege kurz gehalten.
Dabei hat sich gezeigt: Besonders für die Arbeitssicherheit erschien die Idee vielversprechend, wenn es darum geht, Unfälle zwischen Personen und Flurförderzeugen zu vermeiden. Im Rahmen der anschließenden wissenschaftlichen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten entwickelte das Gründerteam das erste visuelle, KI-basierte Echtzeit-Lokalisierungssystem, das auf der Datenverarbeitung von Infrastrukturkameras basiert. Das System ist in der Lage, relevante Objekte wie Personen, Gabelstapler und autonome Fahrzeuge sowie Betriebsmittel in Echtzeit zu lokalisieren, ohne dabei auf zusätzliche Wareables auf dem Hallenboden angewiesen zu sein. So entsteht ein digitaler Zwilling der Örtlichkeit. Auf dieser Basis erkennt das System kritische Annäherungen zwischen Personen und Flurförderzeugen frühzeitig und kann einem Zusammenstoß entgegenwirken, beispielsweise durch das automatische Verringern der Fahrgeschwindigkeit. Gleichzeitig ermöglicht die Datengrundlage erstmalig eine Messung und Nachverfolgung der Sicherheitslage innerhalb einer industriellen Umgebung. Zahlreiche weitere Anwendungsbereiche werden ebenfalls mitgedacht, zum Beispiel eine effizientere Routenplanung von autonomen Transportsystemen.
Basis für dieses Produkt war die Grundlagenforschung im Forschungscampus OHLF. Die Förderung des Forschungscampus durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat diese Entwicklung erst ermöglicht. Die finanziellen Mittel für die anschließende Weiterentwicklung sowie die Markteinführung im Jahre 2022 der Systemtechnologie kamen durch eine EXIST-Forschungstransfer Förderung, ein Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.
Die Unternehmensgründung der Sentics GmbH folgte im Mai 2022. Als Unternehmenssitz haben die Gründer bewusst den Forschungscampus OHLF gewählt. Er bietet ein ideales Umfeld für den Markteintritt und die geplante Skalierung. Das junge Unternehmen ist im Oktober 2023, eineinhalb Jahre nach Gründung, auf mehr als 20 Beschäftigte angewachsen und bietet maßgeschneiderte Lösungen für Kunden aus der Produktion und Logistik.
Mit der industrienahen Technikumsfläche und der räumlichen Anbindung an die Forschungsumgebung bieten sich für das Start-up Sentics GmbH am Forschungscampus OHLF beste Voraussetzungen für die stetige Weiterentwicklung ihres Produktes und ihrer Dienstleistungen. Sentics ist seit Kurzem selbst Mitglied im Open Hybrid LabFactory e.V., der das Mitgliedsnetzwerk am Campus organisiert und verantwortet. Der Verein ist mit vielen Angeboten für seine Mitglieder Wegbereiter für die Verbindung von Wissenschaft und Industrie unter einem gemeinsamen Dach. Durch dieses Netzwerk konnten letztlich die Gründer von Sentics die „richtigen“ Kontakte für die Projektverwirklichung und die Weiterentwicklung ihres Systems treffen. Diese Entwicklung zeigt ein Best Practice der Förderung junger Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen durch die Forschungscampus-Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und durch den Forschungscampus OHLF in Wolfsburg. Ebenfalls wird die Notwendigkeit der Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft unter einem Dach bestätigt. Nach diesem Vorbild können noch viele weitere Innovationen entstehen.