Forschungscampus Mobility2Grid
Bidirektionales Laden von Elektrobussen als Baustein zur nachhaltigen Stadtentwicklung
Der Forschungscampus Mobility2Grid hat im Rahmen seiner Forschung zur Elektrifizierung des öffentlichen Personennahverkehrs die europaweit erste Ladestation für bidirektionales Laden von Elektrobussen entwickelt. Somit wird es erstmals möglich, große Speicherkapazitäten intelligent für die jeweils aktuelle Situation im Stromnetz, sowohl als Speicher als auch zur Leistungsbereitstellung, einzusetzen. Ein umfassendes Simulationstool hilft den Betreibern dabei, ihre Flotte zu elektrifizieren.
Die Stadt der Zukunft steht vor der Herausforderung, nachhaltige und umweltfreundliche Lösungen für die Mobilität ihrer Bewohner zu finden. Die Integration klimaneutraler Fortbewegungsmittel und die effiziente Nutzung verfügbarer Energiequellen spielen dabei eine entscheidende Rolle. Die in vielen Aspekten durchaus erfolgreich voranschreitende Energiewende ist bisher hauptsächlich eine „Stromwende“. Es fehlt nach wie vor ein Gesamtkonzept, welches diese Stromwende um eine Verkehrswende und eine Wärmewende ergänzt, um eine umfassende Dekarbonisierung in allen Sektoren zu erreichen.
Der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Forschungscampus Mobility2Grid erforscht insbesondere das Spannungsfeld von Energie- und Mobilitätswende, und erprobt Technologien. Ein zentraler Aspekt der Arbeit am Forschungscampus ist die effiziente Nutzung der zur Verfügung stehenden Energie für Mobilität. Dabei bieten batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge gegenüber von herkömmlich fossil betriebenen Fahrzeugen einen entscheidenden Vorteil. Elektrofahrzeuge können nicht nur als Fortbewegungsmittel dienen, sondern auch als mobile Energiespeicher. Durch intelligente Ladesysteme und digitale Vernetzung innerhalb eines Smart Grids können Elektrofahrzeuge überschüssige Energie aufnehmen und bei Bedarf wieder ins Netz einspeisen. Dieses bidirektionale Laden schafft nicht nur eine stabile Energieversorgung, sondern trägt auch zur Entlastung des Stromnetzes bei Spitzenzeiten bei.
Von besonderer Bedeutung sind dabei Anwendungen, die hohe Ladeleistungen sowie hohe Batteriekapazitäten haben, wie E-Busse oder E-Nutzfahrzeuge. Diese Fahrzeuge zu laden und zu betreiben stellt erhebliche Anforderungen an das Netz, vor allem, wenn durch gleichzeitiges Laden mit hohen Ladeleistungen große Lastspitzen entstehen. Jedoch können große Speicherkapazitäten auch netzdienlich verwendet werden, indem die geladenen Fahrzeuge einen Teil der Energie wieder an das Netz abgeben und somit Lastspitzen ausgleichen. Aktuell gibt es auf dem Markt jedoch keine Infrastruktur, die bidirektionales Laden ermöglicht. Elektrofahrzeuge können demzufolge nur unidirektional laden, was eine intelligente Nutzung der Speicherkapazitäten verhindert. Somit ergibt sich die Fragestellung, wie genau Elektrofahrzeuge dieser Größenordnung in die Stadt der Zukunft integriert werden können, um die zur Verfügung stehenden erneuerbaren Energien am effizientesten zu nutzen.
Im Rahmen des Forschungscampus Mobility2Grid haben die Forschenden eine Ladestation entwickelt, die die Fähigkeit besitzt, einen Elektrobus bidirektional zu laden. Dazu wurde auf einer herkömmlichen Ladestation aufgebaut, die unidirektionale Ladungen ermöglicht. Das unidirektionale Laden erfolgt dabei über einen Pantografen. Dabei handelt es sich um einen „Arm“, der vergleichbar mit einer Straßenbahn das Fahrzeug ohne Steckverbindung lädt. Durch den Pantografen ist es möglich, das unidirektionale Laden automatisiert zu starten und zu beenden. Der Bus muss lediglich unter die Ladestation fahren und die Handbremse anziehen. Die Ladestation erkennt, dass ein Ladevorgang gestartet werden soll und verbindet automatisch den Pantografen mit dem Bus. Leider ist dieses System jedoch nicht in der Lage, eine normierte Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladestation zu führen. Deshalb haben die Forschenden diese Ladestation um ein kabelbasiertes System mit dem CCS-Standard (Combined Charging System) erweitert. Der CCS-Stecker ist normiert, in Europa als der gängige Schnellladestandard etabliert und verfügt über Datenanschlüsse zum Transfer von Ladeprotokollen. Die Forschenden haben für die Fähigkeit des bidirektionalen Ladens eine Steuerung und ein Datentransfermodell entwickelt, welches eine intelligente Abgabe des Stroms aus der Batterie eines Elektrobusses ermöglicht.
Der Forschungscampus Mobility2Grid erprobt solche Technologien auf dem EUREF-Campus in Berlin. Dieses Areal dient dabei als Reallabor, wo die Forschenden Konzepte, wie Ladetechnologien, Autonomie, Carsharing und Smart Grids im kleinen Maßstab testen können. Zusammen mit den Partnern Siemens und der BVG (Berliner Verkehrsbetriebe) hat der Forschungscampus Mobility2Grid ein Testfeld für das Laden von Elektrobussen geschaffen und die entwickelte Ladestation installiert.
Die Fähigkeit, einen Bus bidirektional zu laden, wurde Ende 2020 erfolgreich demonstriert. Dabei konnte der Bus eine Leistung von 130 kW in das Verteilnetz abgeben. Dies war die europaweite Premiere einer solchen Technologie. Nach der erfolgreichen Erprobung hat die BVG das Konzept für eine ausgedehnte Testphase auf ihr Gelände integriert. Dies bringt das Ziel der BVG, ihre gesamte Busflotte bis 2030 auf Elektrobusse umzustellen, mithilfe von realen Erfahrungswerten erheblich voran.
Eine vollständige Elektrifizierung der Busflotte einer Stadt stellt jedoch weitere komplexe Anforderungen an Infrastruktur und Betrieb. Gemeinsam mit der TU Berlin forscht der Forschungscampus Mobility2Grid intensiv daran, wie eine Elektrifizierung im großen Maßstab am besten funktionieren kann. Dabei legen die Partner neben der technischen Analyse besonderen Wert auf Potenziale zur Emissionsvermeidung, Lärmminderung, Betriebsstrategien und Betriebshofplanung. Aus diesem Grund entwickelten die Forschenden das umfassende Simulationstool „eFLIPS“. Mithilfe dieser Simulation können Betreiber die Betriebsabläufe für batterieelektrische Busse modellieren und optimieren.
Die Simulation zeigt auf, wie und wann die Busse geladen werden müssen, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten. Der große Vorteil ist, dass somit verschiedene Technologien, wie Laden im Megawattbereich, strategisch beurteilt werden können. Dazu kommt die Möglichkeit der Depotplanung, um logistische Herausforderungen auf Betriebshöfen zu bewerten. All diese Funktionalitäten ermöglichen eine Abschätzung der benötigten Infrastruktur, Netzanschlussleistung und nicht zuletzt der benötigten Fahrzeugeigenschaften, wie Batteriegrößen. Die Erkenntnisse fließen direkt in die Planung und Umsetzung des Ziels der BVG und helfen aktiv dabei, geeignete Technologiepfade zu identifizieren und Investitionen anzustoßen. Weitere Anwendung findet die Simulation für die Beurteilung und Erprobung von E-Nutzfahrzeugen in der Logistik mit unseren Partnern DB Schenker und BLG Logistics.
Der Forschungscampus Mobility2Grid ermöglicht somit durch die intensive Verbindung von akademischer Forschung und industrieller Entwicklung das aktive Vordenken, um die Chancen, die sich durch die Transformation hin zur Klimaneutralität ergeben, zu identifizieren und nutzbar zu machen. Am 01. Juni 2024 feiert der Forschungscampus bereits elf Jahre erfolgreicher Forschung durch Synergien von Wissenschaft und Wirtschaft.