Forschungscampus STIMULATE
„Forschungscampus ist das Beste aus zwei Welten“
Kurze Wege und ein vertrautes Miteinander machen für Dr. Fabian Joeres und Robert Klank unter anderem die Arbeit beim Forschungscampus STIMULATE aus. Beide entwickeln zusammen ein Usability-Labor – und begeistern sich für Medizintechnik.
Dr. Fabian Joeres, 35 Jahre, Usability-Ingenieur und Robert Klank, 32 Jahre, User-Experience-, User-Interface-Designer arbeiten beide am Forschungscampus STIMULATE. Beide sind zum Teil beim Unternehmen USE-Ing., zum Teil bei der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg angestellt. Damit vereinen sie den Forschungscampus-Gedanken, die enge Zusammenarbeit von Wirtschaft und Forschung, jeweils in einer Person. Joeres beschäftigt sich mit der Frage, wie man technische Systeme sicherer, einfacher und angenehmer bedienbar machen kann; Klank kümmert sich um die Gestaltung – weniger im Sinne von „hübsch machen“ als vielmehr auch hier vor dem Hintergrund „Bedienbarkeit“. Was genau ihre Aufgaben sind und wie sie zum Forschungscampus STIMULATE gekommen sind, erzählen sie im Interview. Dafür treffen wir Joeres und Klank in einem Usability-Labor, das sie zusammen für den Forschungscampus STIMULATE aufbauen, genauer in einem Beobachtungsraum, der zum Labor gehört. Im Labor sieht man einen MRT-Nachbau.
Was genau passiert hier, was ist das für ein Labor?
Robert Klank: Ich hole etwas aus: In vielen Fällen geht es uns in der Forschung beim Forschungscampus STIMULATE um interventionelle – also minimalinvasive Eingriffe. Das MRT kennt man klassischer eher aus der Diagnostik. Dass im MRT direkt auch operiert wird, ist ein relativ neues Feld und das MRT ist als Gerät nicht unbedingt dafür gemacht, dass man darin operiert. Schauen Sie mal…
Klank zeigt auf dem PC ein Foto, auf dem ein Arzt mit verdrehtem Oberkörper halb im MRT-Modell steckt, um mit der Biopsie-Nadel eine günstige Position am Patienten-Dummy zu finden.
Robert Klank: Wir wollen, dass die Medizinerinnen und Mediziner agieren können, wie sie das auch im echten Leben machen würden. Darum soll alles möglichst echt aussehen. Bis hin zum Auditiven. Wir simulieren hier also auch die Geräusche, die ein MRT macht. Sie hören dann da im Raum ein lautes Wummern und können sich praktisch nicht mehr unterhalten. Im Nachhinein schauen wir uns dann zum Beispiel die Körperhaltung an und schauen, ob diese ergonomisch günstig war.
Fabian Joeres: Das war sie vermutlich nicht. Das ist ein gutes Beispiel für Probleme aus dem klinischen Alltag, die wir in so einem Labor identifizieren und untersuchen können, um so zu ihrer Lösung beizutragen. Aber die Entwicklung des Labors hat natürlich noch weitere Vorteile: Erstens entsteht ganz konkret die Laborinfrastruktur. Die können auch die anderen Kolleginnen und Kollegen beim Forschungscampus STIMULATE oder Externe nutzen. Wir haben zum Beispiel eine Eye-Tracking-Technologie. Das heißt, wir können messen, wohin Personen schauen. Und wir haben Motion-Tracking, mit dem wir messen, wie sich eine Person im Raum bewegt, um zum Beispiel ergonomische Studien durchführen zu können. Das Zweite, was passiert während wir diesen Raum entwickeln, sind Fallstudien. Während wir das Labor testen, entstehen Erkenntnisse für andere Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Und der dritte Punkt ist, dass wir diese Infrastruktur auch nutzen, um methodische Forschung zu machen. Wenn wir hier Tests durchführen, fragen wir uns, wie wir die neuen Technologien VR und AR (Virtual Reality meint eine digitale Welt, anstelle der realen; Augmented Reality meint, dass der realen Umgebung digitale Aspekte zugefügt werden) sinnvoll einsetzen können, um den medizinischen Produkt- und Technologieentwicklungsprozess bestmöglich zu unterstützen. Mit den Erkenntnissen entwickeln wir dann wieder das Labor weiter.
Wie sind Sie dazu gekommen, sich mit Medizintechnik zu beschäftigen?
Fabian Joeres: Ich bin im Studium schon in das Thema Mensch-Maschine-Interaktion eingetaucht, mit dem Human Factors-Studiengang. Nach dem Studium habe ich dann die Medizintechnik für mich entdeckt. Da findet man viele Idealistinnen und Idealisten und ich würde mich dazu zählen. Ich mache das schon, weil ich glaube, dass es einen gesellschaftlichen Mehrwert hat. Das dritte Puzzlestück ist diese Mixed Reality, also Augmented und Virtual Reality, was ich für eine wahnsinnig spannende Technologie halte, die auch in der Medizintechnik viel verändern, vielleicht revolutionieren wird. Das macht zum einen Spaß, und zum anderen glaube ich auch, dass diese Forschung klinisch wirklich große Vorteile bringen kann.
Robert Klank: Ich habe Interaction Design im Master studiert, da geht es um Mensch-Maschinen-Interaktionen. Dabei habe ich mich immer besonders für Projekte interessiert, die auch ein bisschen Haptisches mitbringen, also nicht „nur“ App oder Webseite sind. Und – ja, wie Fabian schon sagt, ich möchte irgendwie auch etwas machen, von dem ich denke, das hilft den Nutzenden.
Welche Rolle hat das gespielt, als Sie sich jeweils entschieden haben, am Forschungscampus STIMULATE zu arbeiten?
Robert Klank: Ich habe vorher im privatwirtschaftlichen Bereich gearbeitet. Die Produkte, die ich da mitentwickelt habe, haben mich nicht immer so zufriedengestellt. Ich habe nach etwas gesucht, auf das ich irgendwie stolzer sein kann, von dem ich denke, das bringt dem Menschen etwas. So kam ich auf Medizinprodukte und letztlich zu USE-Ing. und damit zum Forschungscampus STIMULATE. Was die Doppelrolle betrifft war ich erst skeptisch, weil ich kein Techniker bin und jetzt hier dieses Labor aufbauen sollte. Jetzt gefällt es mir: Man hat das Beste aus beiden Welten. Einerseits die Wirtschaft und damit auch immer neue Projekte, andererseits die Möglichkeit an der Universität, Zeit in Dinge zu stecken, für die vielleicht in der Wirtschaft die Zeit fehlt.
Fabian Joeres: Ich bin für die Promotion zum Forschungscampus STIMULATE gekommen und habe mich hier sehr wohl gefühlt. Danach bin ich dann, wie man das so macht, erstmal weggegangen. Aber ich habe es nur ein Jahr abseits ausgehalten. Dann gab es hier die Möglichkeit diese Doppelrolle einzunehmen (Anstellung bei der Universität und bei USE-Ing.), so dass ich sowohl in der Forschung weitermachen als auch in der Produktentwicklung mitarbeiten kann. Dafür bin ich vor etwa einem dreiviertel Jahr zurückgekommen.
Was macht für Sie die Arbeit speziell am Forschungscampus aus?
Robert Klank: Dass hier vieles zusammenläuft. Man kann sich mit einer Idee, die man hat, schnell mal Technik, Technologien und Wissen auch von anderen Kolleginnen und Kollegen zusammensuchen. Und dabei kommt man noch mal auf ganz andere Ideen, denen man auch noch nachgehen kann. Ich habe beispielsweise vorher noch nie so ein Labor gebaut. Da mussten wir viel ausprobieren und jeder hatte neue Einfälle. Dass wir dazu überhaupt die Möglichkeit haben und nicht ein Auftraggeber dahintersteht, der sagt, ich möchte das jetzt aber in zehn Stunden gebaut haben, das ist schon besonders für die Arbeit hier. Das würde man in der freien Wirtschaft wahrscheinlich dann stark reduzieren müssen und damit in Kauf nehmen müssen, dass die Flexibilität des Labors verloren geht. Man würde sagen, da hat man gar keine Zeit oder Budget für.
Fabian Joeres: Was mir sofort einfällt als Stichwort ist „kurze Wege“. Wir sprechen über die Vernetzung zwischen der tatsächlichen technischen Produktentwicklung auf der einen und der Forschung auf der anderen Seite. Aber wir haben auch eine Vernetzung von Forschungsinstitutionen, die es vielleicht so - auf so kurzem Wege – sonst gar nicht gäbe. Das fängt schon im ganz Kleinen an, dass wir eben Gruppen aus verschiedenen Fakultäten der Otto-von-Guericke Universität in diesem Gebäude sitzen haben, die sonst vielleicht an entgegengesetzten Enden des Universitäts-Campus arbeiten würden. Und bei allem Willen und bei aller Bereitschaft zur Zusammenarbeit gibt es keinen Ersatz dafür, dass man sich auf dem Weg zum Kaffee über den Weg läuft und fragt „Hey, was machst du gerade? Oh, das klingt spannend. Das passt zu dem, was ich mache.“ Das lässt sich durch kein Vernetzungstreffen und durch keine Konferenz ersetzen. Das ist es, was diesen Forschungscampus in meiner Wahrnehmung ganz stark prägt.
Haben Sie das Gefühl, Sie bringen etwas aus dem Forschungscampus mit in ihre „andere“ Umgebung, ins Unternehmen oder in die Universität?
Fabian Joeres: Unsere Doppelrolle macht natürlich einen riesigen Unterschied. Egal welche Unterhaltung ich führe, wenn der USE-Ing.-Fabian ein Gespräch mit seinen Kolleginnen und Kollegen führt über Methodenfragen, dann sitzt immer der kleine Uni-Fabian mit im Kopf und fragt, wo gibt es jetzt da gemeinsame Interessen? Und umgekehrt ist es genauso. Man hat immer die andere Perspektive auch mit im Kopf.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei Ihnen aus?
Robert Klank (lacht): Ich habe gar keinen normalen Arbeitstag.
Fabian Joeres (lacht auch): Das wäre jetzt auch meine Antwort gewesen.
Robert Klank: Bei mir ist es immer sehr projektabhängig. Teilweise gucke ich, ob ich nur für USE-Ing. oder nur für die Universität arbeite – oder ob es eine Mischung aus beidem ist. Oft arbeite ich vor Ort, manchmal remote. Eigentlich ist es ganz gut, dass sich nicht jeder Tag gleicht.
Fabian Joeres (nickt dazu): Jeder dieser beiden Jobs an sich wäre schon abwechslungsreich. Wenn Sie dann noch diese zwei Stellen miteinander kombinieren, dann ist das natürlich eine total schöne Bandbreite an Aufgaben. Da sind Aufgaben, die in der Entwicklung anfallen wie der Kunden-Workshop, die Nutzer-Studie oder auch das Berichte-Schreiben und in der Forschung: Lehre, Drittmittel beantragen, der Austausch mit den anderen Forschenden und die Forschung selbst. Deswegen würde ich auch Roberts erste Reaktion unterschreiben: Den normalen Arbeitstag gibt es eigentlich nicht.
In der Forschung geht es naturgemäß nicht immer nur bergauf, sondern es gibt auch Rückschläge, bevor es vielleicht den großen Durchbruch gibt. Wie gehen Sie damit um? Gelingt es immer, das schon als Weg zum Ziel zu betrachten?
Fabian Joeres: Ich würde sagen, das lernt man mit der Zeit. Wenn man anfängt, in der Forschung zu arbeiten, dann führt so ein Rückschlag natürlich sehr schnell dazu, dass man an sich selbst zweifelt. Ich glaube, diese Erfahrung zu machen, ist Teil des Weges, genau wie der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, die sagen: „Ja, ich weiß, das ist gerade mies, aber das ist ein Teil davon und du bist auf einem guten Weg.“ Dadurch lernt man das letztendlich. Wenn man das einmal verstanden hat, ist es natürlich immer noch nicht schön, aber es ist dann kein wahnsinnig frustrierendes Erlebnis mehr.
Robert Klank: Ich bin noch in der Lernphase. Vielleicht hat mich meine Tätigkeit in der Wirtschaft geprägt. Da können Fehler für ein Projekt – oder je nachdem auch für den eigenen Job – gravierend sein. Wir hatten zuletzt hier eine Studie, bei der ich für die Technik verantwortlich war. Da gab es viele Ausfälle. Ich konnte nicht unbedingt etwas dafür, weil das zum Teil Sensoren waren, die vorher niemand kombiniert getestet hatte, aber das hat mich schon geärgert. Da wurde mir dann gesagt: „Robert, du bist im Forschungskontext. Wir lernen daraus, welche Schritte wir nächstes Mal machen müssen, damit die Kamera funktioniert.“ Das stimmt. Aber in dem Moment war ich trotzdem frustriert.
Gibt es denn auf der anderen Seite ein besonderes Aha-Erlebnis, einen Durchbruch, mit dem Sie vielleicht zu dem Zeitpunkt nicht gerechnet hätten?
Fabian Joeres: Also ich habe in meiner Karriere bis jetzt noch nicht die Himmelsscheibe von Nebra gefunden oder den Covid-Impfstoff entwickelt, aber es gibt viele kleine inhaltliche Aha-Erlebnisse, die man auch lernt, wahrzunehmen und zu genießen. Das ist Teil der Motivation, warum man in der Forschung arbeitet, diese Momente, bei denen man denkt: „Oh, da habe ich aber jetzt was gefunden, das ist ganz spannend.“ So ein bisschen auf der Metaebene war ein Aha-Erlebnis für mich, als ich das erste Mal selber angefangen habe, auch Projekte zu entwickeln und mich mit Drittmittelanträgen beschäftigt habe. Zu sehen, dass man damit Projekte für die nächsten Jahre mitgestalten kann, das war für mich spannend.
Robert Klank: Den einen Punkt hätte ich jetzt auch nicht. Beim Labor-Bau hier habe ich manchmal das Gefühl, das ist wie ein Kind, das langsam wächst und man selbst merkt nicht, wie es erwachsen wird. Das ist oft so, dass jemand reinkommt und sagt: Das sieht ja ganz anders aus als noch vor drei Monaten. Oder es kommen Bestellungen an, von denen keiner weiß, was damit anzufangen wäre, bis man es zusammenbaut und zeigt, wie es passt. Das ist dann so ein „Aha“. Da merkt man, das entwickelt sich.
Solche Bestellungen sind dann tatsächlich eine Art Bausatz? Wie kann ich mir das vorstellen?
Robert Klank: Das sind manchmal schon obskure Sachen, die man braucht. In dem Fall haben wir überlegt, wie bauen wir ein physisches Abbild eines MRT-Geräts, ohne dass wir unglaubliche Mengen an Geldern verbrauchen. Manches haben wir 3D gedruckt, das geht nebenan. Und dann kommt man durch Kolleginnen und Kollegen auf die Idee, es mit normalen Schwerlastregalen zu versuchen. Wir haben da jetzt ganz unterschiedliche Materialien verbaut. Und jetzt wirkt es wie ein echtes MRT.
Wie würden Sie die Forschungscampus-Kultur in drei Worten beschreiben?
Robert Klank: „Hilfsbereit“: Wenn ich zum Beispiel ein Kontrastmittelgerät für eine Führung brauche, dann gibt es mit Sicherheit jemanden, der mir das leiht – und mir auch noch erklärt, wie es funktioniert. Das ist immer so! Und das kenne ich nicht von überall.
Fabian Joeres: „Horizont erweiternd“: Wir haben hier eine ganze Bandbreite an Themen. Also Menschen, mit denen man sich unterhält und die zwar verwandte – aber eben auch ganz andere Themen bearbeiten. So kann man ein bisschen über den eigenen Projekt-Tellerrand hinausschauen. Und als drittes Wort komme ich wieder zu den kurzen Wegen.
Robert Klank (lacht): Ein Wort wäre „kurzwegig“.