04.03.2025 STIMULATE

Forschende des Forschungscampus STIMULATE veröffentlichen Studie zu pulsatilem Tinnitus

Ein interdisziplinäres Team des Forschungscampus STIMULATE hat in Kooperation mit der Universitätsklinik Chicago entscheidende Fortschritte in der Diagnose und Ursachenforschung des pulsatilen Tinnitus (d.h. ein rauschendes und mit dem Herzschlag an- und abschwellendes Ohrgeräusch) erzielt. Die wegweisende Forschung baut auf langjähriger Expertise in bildgestützten Verfahren am Forschungscampus auf und wurde in der renommierten Fachzeitschrift „Journal of NeuroInterventional Surgery“ veröffentlicht.

Grafische Darstellung des Blutflusses. Dabei wird der Bereich des Innenohrs wie hereingezoomt in den Schädel, vergrößert dargestellt.
Schematische Darstellung des Blutflusses in einer Verengung im rechten Sinus transversus (einer bestimmten Vene im Gehirn). Die daraus resultierenden komplexen Strömungsverhältnisse treten insbesondere in der Erweiterung des Gefäßes dahinter auf. Hier grenzt das Gefäß direkt an das Schläfenbein, das die Geräusche an die Innenohrstrukturen (violett gefärbt) weiterleitet, was zu einem pulsierenden Tinnitus führen kann. ©Janneck Stahl, Forschungscampus STIMULATE

Unter der Leitung von PD Philipp Berg und Prof. Ali Alaraj erforschte ein interdisziplinäres Team des Forschungscampus STIMULATE in Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik Chicago an Gefäßveränderungen in der Nähe des Ohres, welche zu sogenanntem pulsatilen Tinnitus führen können. Diese spezielle Form des Tinnitus, die etwa 15 Prozent aller Fälle ausmacht, wird häufig durch venöse Gefäßanomalien wie Verengungen (sogenannte Stenosen) des Sinus transversus (eine bestimmte Vene im Gehirn) verursacht. Diese Stenosen führen zu komplexen Blutflussmustern, die in direktem Kontakt mit dem Schläfenbein-Knochen direkt am Ohr stehen und Geräusche an die inneren Strukturen des Ohrs übertragen können. Betroffene nehmen dabei ein rhythmisches (pulsatiles) Rauschen wahr, das mit ihrem Herzschlag synchronisiert ist und als äußerst belastend empfunden wird. Zudem hängen diese Stenosen auch meist mit einem erhöhten Gehirndruck (idiopatische intrakranielle Hypertension) zusammen, was bei den Betroffenen zu starken Kopfschmerzen führt und visuelle Störungen verursachen kann.

Virtuelle Stent-Behandlung zeigt signifikante Veränderungen


In der Studie nutzten die Forschenden patientenspezifische Blutflusssimulationen, um die Hämodynamik (also die Art und Weise, wie der Blutstrom fließt) dieser Sinusstenosen detailliert zu untersuchen. Erstmals konnten sie den komplexen Blutfluss und die hohen Scherraten (das sind die durch die hohe Blutflussgeschwindigkeit entstehenden Reibungskräfte an der Wand) am Schläfenbein messen, die möglicherweise zur Geräuschübertragung führen. Nach einer virtuellen Stent-Behandlung zeigten sich signifikante Veränderungen der hämodynamischen Muster, was auf das Potenzial dieser Therapie hinweist.

Aktuell basieren Behandlungsentscheidungen oft auf invasiven Messungen. Diese Studie könnte jedoch den Weg für nichtinvasive Diagnosemethoden ebnen. Durch die Einbeziehung anatomischer Strukturen wie des Schläfenbeins in bildbasierte Blutflusssimulationen sowie die Möglichkeit computergestützter Differenzdruck-Rekonstruktionen, also der nachträglichen Berechnung der Druckunterschiede, entlang des betroffenen Gefäßes könnte die Klassifizierung der Erkrankung und die Bewertung von Therapieeffekten verbessert werden.

Enge Zusammenarbeit am Forschungscampus entscheidend

Die Studie wurde in der renommierten Fachzeitschrift "Journal of NeuroInterventional Surgery" veröffentlicht. Sie unterstreicht die Bedeutung der am Forschungscampus STIMULATE gesammelten Expertise im Bereich der bildgestützten Verfahren zur Anwendung von bestimmten Rechenverfahren, sogenannter numerischer Simulationen. Entscheidend für diesen wissenschaftlichen Fortschritt war die enge Zusammenarbeit am Forschungscampus STIMULATE zwischen den Partnern über institutionelle und nationale Grenzen hinweg. Die enge Zusammenarbeit akademischer und industrieller Partner ist im Rahmen der Förderinitiative „Forschungscampus“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) entstanden.

Diese Erkenntnisse der Studie bauen auf einer 15-jährigen Forschungsarbeit zu intrakraniellen Aneurysmen (Arterienerweiterung innerhalb des Schädels) und deren Therapie auf (AG Prof. Janiga). Sie legte die Grundlage für die Erweiterung auf venöse Erkrankungen. Die vorhandene Infrastruktur am Forschungscampus, sowohl in Bezug auf Software als auch Hardware, ermöglichte diese Weiterentwicklung. Zudem führte das internationale Netzwerk des Forschungscampus zu einer erfolgreichen Kooperation mit der Universitätsklinik Chicago, die aufgrund der internationalen Sichtbarkeit des Forschungscampus mit spezifischen Fragestellungen auf das Team zukam.

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